Ein großer Schritt für zwei Milliardäre…

Am 11.07.2021 stieg Sir Richard Branson mit der Unity22 auf eine Höhe von ca. 86km, die im US-Militär bereits als Weltraum gilt (Raumfahrt: Sir Richard Branson flog auf 86 Kilometer Höhe – Golem.de). Jeff Bezos hat am 20.07.2021 mit seiner Raumkapsel New Shepard eine Höhe von 106km erreichet (Blue Origin: Wally Funk fliegt mit 82 Jahren endlich ins All – Golem.de) und damit die Karmann-Linie (100km) überschritten, die als internationale Grenze zum Weltraum gilt.

Dass die Atmosphäre an sich verlassen wurde steht außer Frage. Allerdings ist ziemlich sicher, dass die erreichte Schwerelosigkeit zwar echt, aber lediglich den Beschleunigungskräften geschuldet ist, weshalb noch diskutiert wird, ob es sich tatsächlich um Weltraumflüge handelt…

Sterne über dem Joshua Tree Nationalpark
Sterne über dem Joshua Tree Nationalpark

Aber wir sollten uns dazu noch ein paar Fragen stellen, als die, wer der beiden Abenteurer denn jetzt wirklich im Weltraum war. Was kostet so ein Weltraumflug? Wie lange dauern Flug und Schwerelosigkeit? Welchen Vorteil hat die Menschheit von solchen Ausflügen in die Schwerelosigkeit?

Also: Wie viele Euronen muss man berappen, um das Gefühl echter Schwerelosigkeit zu erleben? Die Flüge von Bransons Virgin Galactic wurden 2014 250.000 US-Dollar aufgerufen, allerdings waren die Tickets vorerst auf ca. 700 Stück reduziert. (Virgin Galactic ticket holders show their support for Richard Branson | Daily Mail Online) Blue Origin hat bislang nur ein einziges Ticket verkauft, besser gesagt Versteigert. Für 28 Millionen Dollar. (Blue Origin: Flug in Bezos’ Kapsel für 28 Millionen Dollar versteigert (faz.net)) Eine klare Preisstruktur konnte ich zu Blue Origins Touristenflügen leider noch nicht finden.

Interessant wird der Vergleich aber erst mit existierenden Möglichkeiten Schwerelosigkeit zu erleben. Parabelflüge sind eine lange genutzte Praxis mit der sich angehende Astronauten auf den Einsatz im Weltraum vorbereiten, bei denen kurzläufige Experimente durchgeführt werden, die keinen Aufenthalt auf der ISS benötigen, und sogar Filme wurden bereits im “Vomit Commet” gedreht (Apollo 13 (1995) – Trivia – IMDb), damit die Schwerelosigkeit physikalisch realistisch wirkt. Solche Flüge kann man auch privat buchen und man kann so bei 10 Parabeln á 20 Sekunden Schwerelosigkeit einen Teil des echten Astronautentrainings erleben. (Schwerelosigkeitsflug in der II-76 – Jochen Schweizer (jochen-schweizer.de)

Anders sieht die Schwerelosigkeit in einer echten, unbestrittenen Raumstation aus. In den Jahren 2001 und 2002 brachen Dennis Tito und Mark Shuttleworth zu privaten Aufenthalten auf der ISS auf, blieb dort für 7-9 Tage und zahlte dafür etwa 20 Millionen US-Dollar. (Weltraumtourismus – Wikipedia)

Milchstraße über dem Joshua Tree Nationalpark
Milchstraße über dem Joshua Tree Nationalpark

Ok, aber was bekomme ich nun für das ganze Geld? Der Flug mit Virgin Galactic dauert ca. 14-17 Minuten ab der Trennung vom Trägerflugzeug, wovon ca. 6 Minuten in Schwerelosigkeit stattfinden, damit zahlt man ca. 41.667 US-Dollar/Minute Schwerelosigkeit.(Teurer Traum: Branson fliegt ins All – vor Bezos – ZDFheute, Virgin Galactic – Wikipedia)
Mit Blue Origins Raumkapsel ist man insgesamt nur 10 Minuten unterwegs, davon sind 4 Minuten Schwerelosigkeit und man kommt mit dem Ticket auf Gebotsbasis auf 7.000.000 US-Dollar/Minute Schwerelosigkeit. (Weltraumtourismus: 4 Minuten Schwerelosigkeit für Jeff Bezos – ingenieur.de) Allerdings ist zu erwarten, dass sich bei Blue Origin ein niedrigerer Preis einstellen wird, sobald solche Flüge regelmäßig stattfinden.

Mit einem Parabelflug zahlt man abhängig vom Leistungsumfang und der Anzahl der Parabeln 1800€/Minute Schwerelosigkeit. Für die ISS lag der Preis 2001/2002 für 7-9 Tage bei ca. 20 Millionen US-Dollar. Der Aufenthalte dauerte also im Schnitt 11.520 Minuten und kostete pro Minute 1736 US-Dollar. Da liegen die Möglichkeiten der klassischen Raumfahrt gar nicht Schlecht im Vergleich, wenn man das benötigte Training, die lange Vorbereitungs- und Genehmigungszeit, zumindest für die ISS, nicht mitrechnet. Allerdings gehört ein Urlaub auf der ISS nicht zum normalen Leistungsspektrum der NASA, ESA oder Roskosmos, womit die ISS als einzige bisher touristisch genutzte Raumstation leider aus der weiteren Wertung fällt.

Milchstraße über Olmsted Point
Milchstraße über Olmsted Point

Ein Kriterium wurde bei der bisherigen Bewertung allerdings außer Acht gelassen: Der Ausblick! Sowohl Virgin Galactic, als auch Blue Origin haben Fenster in ihren Luft- und Raumfahrzeugen und es ist vermutlich egal, ob man auf 86 oder 106km Höhe ist, einen unbeschreiblichen Ausblick auf die Erde wird man von dort wohl haben. Übertroffen wird dieser wahrscheinlich nur vom Ausblick aus der Kuppel der ISS. Bei Parabelflügen ist die Aussicht (Fenster im Flugzeug vorausgesetzt) nicht anders, als bei einem Linienflug. Damit unterscheiden sich beide Pioniere doch noch vom Leistungsumfang klassischer Alternativen.

Es bleibt die Frage: Welchen Vorteil hat die Menschheit von solchen Ausflügen in die Schwerelosigkeit?

Vermutlich erstmal gar keinen. Bislang dienen die Flüge nicht der Wissenschaft oder einem Astronautenprogramm, das den gemeinen Weltraumenthusiasten seinen geliebten Sternen näher bringt. Da zumindest Jeff Bezos’ Blue Origin seit längerem an Versorgungsmissionen für die ISS und seit kurzem auch an einem Mond-Landemodul arbeitet, kann man damit rechnen, dass hier langfristig noch einiges passieren wird. Richard Brenson hat außerdem bereits gezeigt, dass sein modularer Aufbau aus einem zivilen Luftfahrzeug als Startplattform und einer davon gestarteten Rakete auch weitere Einsatzmöglichkeiten hat, vor allem um Satelliten in den Erdorbit zu bringen. (Boeing 747 von Virgin schießt Rakete mit Satelliten ins All (futurezone.at)) Wir dürfen also gespannt bleiben.


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